Im und am Odenwald

Wie im Januar schon überlegt, bin ich Ende Juni in den Odenwald gestartet, unter erschwerten Bedingungen wegen Corona. Aber immerhin hat es überhaupt geklappt! Start war für mich im Süden von Darmstadt, in Eberstadt, mit der Wanderung fertig war ich in Dossenheim, ca. 6 km nördlich von Heidelberg.  Da ich kaum Notizen habe – und auch ein lückenhaftes Gedächtnis – werde ich nicht versuchen, die einzelnen Tage genau zu beschreiben, sondern mehr meine Eindrücke schildern.

Aus Hamburg geht es los am 20.06.21, bei ziemlicher Hitze und im schönsten Sonnenschein. Selbst der Fußweg vom Bahnhof zum Hotel ist zumindest streckenweise schon ein gelungener Auftakt und führt teilweise am Bach und an Feldern entlang. Am späten Abend des Vortags hatte ich einen Coronatest gemacht, und da dieser 24 Stunden gilt, habe ich für die erste Übernachtung und das abendliche Essengehen zum Auftakt schon vorgesorgt. Für die ganze Wanderung ist das wegen der Nähe zu den Orten in der Rheinebene kein Problem, ich finde immer Apotheken oder Testzentren, die Tests durchführen. Es bedeutet nur manchmal einen ordentlichen Umweg, und wegen der Terminvergaben und der nicht immer exakt planbaren Ankunft bin ich auch einige Male etwas im Zeitdruck bzw. habe sogar zu viel Zeit. Aber das ist wirklich Quengeln auf hohem Niveau, ich bin ja froh, überhaupt unterwegs sein zu können.

Die 1. Etappe am nächsten Tag lässt mich dann viel von der wirklich schönen Landschaft sehen, und ich bin froh, dass ich bei der Wärme fast nur im schattigen Wald bin. Etwas enttäuscht bin ich vom Wegeuntergrund, meist sind es leicht geschotterte, breite Forstwege – und das bei einem zertifizierten Weg, ts, ts…. Es gibt aber auch zeitweise richtig nette Abschnitte mit Singletrails wie diesen hier:

Schöner Pfad (zeckenträchtig)

Burg Frankenstein (heißt tatsächlich so) noch ziemlich am Anfang der Wanderung ist beeindruckend, und am Nachmittag freue ich mich über die Begegnung mit einem sehr kleinen Tier, das wenig scheu mitten auf dem Weg sitzt. Ich nehme das Blaumeisenküken und setze es etwas abseits vorsichtig wieder ab. Anders als bei einem Rehkitz oder Feldhasenjungen kann man Küken berühren; die Eltern werden es dennoch weiter versorgen.

 

Mein Hotel für die erste Nacht  – ein Riesenkasten mitten im Wald – erreiche ich rechtzeitig, und am nächsten Morgen treibt es mich für meine Verhältnisse schon recht früh wieder auf den Weg, denn das Frühstück musste ich bis etwa 08:45 angetreten haben, um 09:00h wurde das Büffet geschlossen. In der Nacht hat es ordentlich geregnet, und das Wetter ist nun etwas eingetrübt, ab späteren Mittag regnet es erst einmal eine ganze Weile, und ich habe Gelegenheit, den Trekkingschirm ausführlich zu testen (Test bestanden). Aber es ist nicht kalt, und der Regen beeinträchtigt mich nicht besonders.

Privater Moment von 2 Wanzen

 

 

 

 

 

 

 

 

Nett ist die Idee der Stadt Zwingenberg, am offiziellen Startpunkt des Nibelungensteigs Postkarten zur Verfügung zu stellen, die man ausfüllen und als Gruß versenden kann – das Porto übernimmt die Stadt, die auch den extra dafür aufgestellten Briefkasten ca. alle 3 Wochen leert.

Wegen des schlechten Wetters, das die Wege vielfach aufweicht, gehe ich nun erst einmal den Blütenweg bis Auerbach. Auch dort erwartet mich für die zweite Nacht ein Hotel, die Übernachtung draußen muss noch warten. Ich habe meine leichteste Hängematte dabei, aber kein Tarp, denn ich habe vor, nur dann draußen zu schlafen, wenn weit und breit kein Regen in Sicht ist. Für den Fall, dass ich keinen guten Übernachtungsplatz finde – tatsächlich sind hier die Hänge meist recht steil, und/ oder der Wald ist zu einsichtig -, würde ich in einer Hütte übernachten. Dafür habe ich eine neue Isomatte dabei, ich glaube, momentan die leichteste auf dem Markt in dieser Bauform und in voller Länge. 

Am dritten Wandertag- mittlerweile Mittwoch, 23.06.21 – geht es von Auerbach nach Heppenheim. Das Wetter hat sich gebessert, aber es ist drückend schwül und recht heiß. Ich folge heute erst einmal dem Burgensteig, denn der Blütenweg führt weiter durch den Ort. Ich gehe lieber hoch zum Fürstenlager, einer schönen, weitläufigen Parkanlage, und von dort gegen Mittag hinunter nach Bensheim, wo ich mich im Ortszentrum testen lassen will.  Auf dem Weg dorthin komme ich bei einem Denkmal am Kirchberg vorbei, das genau an der Stelle steht, wo am 24.03.1945 zwölf Gefangene von der Gestapo erschossen wurde – nur 3 Tage, bevor die Amerikaner in Bensheim einmarschierten und der Krieg vorbei war. Eine Weile beschäftigt mich dieses tragische Massaker noch den Weg hinunter in das Städtchen. Es waren alle möglichen Altersgruppen vertreten, von siebzehn Jahren bis in die sechziger, Männer und Frauen, ohne erkennbare Gemeinsamkeiten für den Außenstehenden. Mir wird wieder einmal klar, in welchem Luxus – was Sicherheit und Freiheit betrifft – wir haben, in der Gegenwart zu leben.

Marktplatz Bensheim

Dann erreiche ich das Städtchen Bensheim und muss zum Testzentrum finden, in dem ich einen Termin gebucht habe.

Das klappt, und weiter geht’s. Inzwischen ist es schon Nachmittag, und ich will noch an das südliche Ende von Heppenheim. Erst einmal geht es hoch in die Weinhänge,

Rosen in den Weinhängen

und in einem weiten Bogen Richtung Nordosten, dann Südosten Richtung Hambach und schließlich Süden nach Heppenheim, das der Weg dann aber nur am Rand streift. Ich habe nicht bemerkt, dass sich hinter den Hügelketten inzwischen  dunkle Wolkentürme zusammenballen, denn nach wie vor scheint direkt bei mir die Sonne. Ich zucke zusammen, als es bedrohlich nah blitzt und grummelt. Ich gebe  Gas und hetze in den Ort hinunter, aber ich habe noch gut 4 km vor mir, die ich mit meinem 14kg-Rucksack quasi rennend hinter mich bringen will. Was ich von Heppenheim sehe, ist übrigens so, dass es nicht sehr schlimm ist, wenn man es verpasst.  Tatsächlich erreiche

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen (jedenfalls heute)

 ich das Hotel rechtzeitig, ohne nass zu werden, und auch ohne das Gewitter direkt über mir zu haben. Die dunklen Wolken lassen erst etwas später raus, was sie an Regen gebunkert hatten, und ich bin froh, dass mir das draußen erspart geblieben ist. Ich bin aber so fertig, dass ich im Hotelzimmer eine Weile brauche, um mich zum Duschen aufzuraffen. Danach baut mich dann aber ein äußerst leckeres Abendessen wieder auf.

Ich beschließe, einen Ruhetag in Heppenheim einzulegen, zur Erholung  zum Einkaufen, Wäschewaschen usw. Als ich am nächsten Tag zum Einkaufen gehe, komme ich an einem der Orte vorbei, die für sich reklamieren, der wahre Schauplatz für die Ermordung Siegfrieds zu sein. Heute liegt er neben einer dichtbefahrenen Straße mit Autohändlern und Industriebetrieben – auch nach den vielen Jahrhunderten ein denkbar unpassender Ort.

Am nächsten Tag, Fr., 25,06.21 starte ich wieder, inzwischen ganz erholt. Es geht bei schönem, warmen Wetter nach Weinheim, größtenteils auf dem Blütenweg. Es gefällt mir zwar nicht, aber die Erfahrung vom letzten Wandertag hat mir meine Grenzen gezeigt, bzw. das inzwischen veränderte Verhältnis von Wollen und Können. Alter und vor allem miese Kondition lassen eben doch nicht zu, dass ich längere Strecken mit etlichen Höhenmetern und vollem Gepäck einfach wegstecke. Daran muss ich arbeiten, also die Kondition verbessern und mich im Weglassen üben. Dass mein Rucksack immer so schwer ist, liegt am Versuch, für alle Gelegenheiten gerüstet zu sein, d.h. ebenso für ein feines Abendessen im 4*-Hotelrestaurant wie für eine Übernachtung draußen mit Kochutensilien und Schlafequipment. Ich nehme also Kleidung mit, die jemand mit Ultralight-Ambitionen niemals dabei hätte, obwohl ich mich auch hier auf je 2 Exemplare beschränke – also 2 Paar Socken, 2 kurzärmelige T-Shirts, 2 langärmelige Oberteile,  2 Hosen usw. Wie ich nun – sehr deutlich – gelernt habe, werde ich beim nächsten Mal wohl ein paar harte Entscheidungen treffen müssen.

Gegen Abend komme ich in meinem Hotel in der vollen, lebhaften Altstadt an und gehe – nach der üblichen Routine von Duschen und Wäschewaschen – äußerst lecker in einem thailändischen Imbiss essen. 

Das Wetter sieht für die nächste Zeit gut und stabil aus – und heiß -, daher beschließe ich, dass es nun endlich Zeit wird, das mitgeschleppte Übernachtungsequipment auch zu nutzen.  Am nächsten Tag, nun also Samstag, 26.06.21 achte ich auf meinem Weg durch die Hitze gut darauf, dass meine Wasservorräte die ganze Zeit über gut gefüllt sind, und muss dafür auch einmal direkt nach Leutershausen zum Friedhof absteigen, um dort alles komplett aufzutanken.

Streben nach Licht

Mein Ziel ist die Schanzenkopfhütte, etwa 2,5km nordöstlich von Schriesheim. Bevor ich dort ankomme, sehe ich etliche solcher Fingerhüte, die erst waagerecht, und dann senkrecht nach oben wachsen. Die Ränder am Weg sind voll von diesen verdreht wirkenden Pflanzen, die ich in dieser Häufigkeit so noch nicht gesehen habe.

Auf dem Weg steuere ich zunächst 2 Schutzhütten an, die allerdings beide nicht so recht in Frage kommen: zu düster und feucht die eine, die andere an einer Kreuzung von mindestens 5 Wegeeinmündungen. Bei beiden Hütten ist auch weder innen noch außen direkt im Umfeld eine  Möglichkeit, die Hängematte anzubringen. Also weiter. Die 3. Hütte, nun auch endlich die Schanzenkopfhütte, liegt günstiger nur an einem Weg, und ist von dort auch nicht so gut einzusehen, Aber eine Hängemöglichkeit gibt es auch hier nicht. Ich muss also auf dem Boden schlafen. Aber vorher kommt das Abendessen, es gibt ein Tütenessen, in das ich einfach kochendes Wasser kippen und das Ganze dann einige Minuten ziehen lassen kann. Das „Bett“ baue ich dann im letzten Licht auf: Zunächst die Plane ausbreiten, die teure, superleichte Isomatte darauf, das Ganze abdecken mit einem Mückennetz – naja, gemütlich ist anders. Das Mückennetz ist nicht fest, sondern nur am Kopfende mit einem Haken am Balken befestigt und ansonsten unter die Isomatte gesteckt. 

Es ist lange hell, sehr warm, und so sitze ich noch ein Weilchen vor der Hütte auf der Bank und genieße den lauen Sommerabend, bis es wirklich fast dunkel ist. Still ist es hier, und ein ganz kleines bisschen unheimlich ist mir auch, aber ich setze auf gesunde Müdigkeit

 

 

Dann krieche ich irgendwann unters Mückennetz, benutze den Schlafsack wegen der Hitze nur als Decke – und brauche über 1 Stunde, um endlich einzuschlafen. Irritiert bin ich, als ich an der Wegeeinmündung etwa 150m weit weg noch um 23:30h ein Auto höre, das anhält und nicht wieder weg bewegt wird. Ich habe Angst, dass das ein Jäger ist, der in der Nähe seinem blutigen Geschäft nachgehen will. Aber es ist nichts zu hören, kein Geraschel, kein Schuss, nichts. Dennoch bin ich froh, in der Hütte und damit gut in Deckung zu sein.

Die Nacht bleibt ruhig, aber ich schlafe schlecht, weil mir die Isomatte so schmal vorkommt und ständig an den nackten Beinen klebt (ich habe wegen der Wärme nur eine Unterhose und ein T-Shirt an), das Kopfkissen dauernd herunterrutscht und ich sofort aufwache, wenn ich mich bewege.  Als es dämmert, höre ich ganz in der Nähe einen Rehbock bellen.

 

 

Frühstücksplatz

Um 5:45h habe ich genug und stehe auf. Während das Wasser auf dem Spirituskocher heiß wird, räume ich mein unkomfortables Bett in den Rucksack, ziehe mich vollständig an, putze Zähne usw. – bevor dann das Beste kommt: Der morgendliche Kaffee – und ich glaube, ich hatte noch ein Müsliriegel oder so – auf der Bank vor der Hütte. Das ist wahrhaftig zum Genießen und ich ziehe das Frühstück in die Länge. 

Dann breche ich auf, bevor die ersten Spaziergänger oder Gassigeher kommen und mache mich wieder auf den Weg. Der morgendliche Wald voller singender Vögel ist einfach wundervoll.

Morgens im Wald – ich habe ihn noch ganz für mich

Ich gehe zunächst zum Burgensteig, bleibe dort aber nur kurz, weil er einen riesigen Bogen beschreibt. Ich gehe stattdessen in das Tal abwärts und suche mir von dort eine Route zum Blütenweg. Das Wetter ist hochsommerlich sehr heiß, und bereits um 09:30h würde ich am liebsten nackt gehen (aber irgendetwas hält mich davon ab. Vermutlich das Zusatzgewicht der Kleidung im Rucksack).  Unterwegs halte ich einmal an, um mich im Schatten etwas abseits vom Weg auf dem Gras am Rand eines Weinhangs etwas hinzulegen. Ich döse sofort ein, bedaure aber sehr schnell, kein Insektenspray benutzt zu haben. Ich zähle eine zweistellige Anzahl von Mückenstichen, die mich noch tagelang nerven. 

Da Sonntag und so gutes Wetter ist, sind die Wege nicht gerade leer, und mich stören viele Mountainbike Fahrer. Außerdem ist mir sehr heiß, und ich habe kein Wasser mehr. Ich überlege, ob ich noch einkehren und dann weiter wandern sollte, beschließe aber, die Wanderung bald zu beenden. Auf dem Blütenweg wären es auch ohnehin nur noch rund 6-7km bis Heidelberg, die mir fehlen.

Bronzefigur auf einem Grabstein bei einem Steinmetz in Dossenheim

So mache ich noch einmal Pause in Dossenheim, bevor ich zur dortigen Straßenbahnhaltestelle gehe und nach Heidelberg fahre. Nach einem Coronatest steuere ich mein Hotel an, das wegen der anstehenden Rückreise nicht allzu weit vom Hauptbahnhof entfernt liegt und mir ansonsten sehr gut gefällt, u.a. ist das Ambiente mit einem Glasdach über dem Innenhof ebenso hübsch wie ungewöhnlich. Als ich am Nachmittag ankomme, dusche ich, lege mich in mein sauberes, ziviles Bett und schlafe satte 2 Stunden durch. Dann kommt noch das leckere Abschiedsabendessen – und das war dann plötzlich der Abschluss meiner Odenwaldtour. 

Am nächsten Tag geht es zurück  nach Hamburg. In der Bahnhofshalle in Heidelberg fällt mir dieses riesige Wandgemälde auf:

Es stellt Zeus und Ganymed dar, ein alter Mythos, hier kombiniert mit Graffiti-Elementen. Ganymed war der „Schönste aller Sterblichen“ und wurde von Zeus in Adlergestalt entführt.  Zeus hatte sich in ihn verliebt, und Ganymed sollte als Mundschenk der Götter ewig leben.  

Hier auf dem Bild muss man ein bisschen genauer hinsehen, um zu erkennen, dass sich beide gegenseitig im Arm halten. Ich musste nachsehen, was es mit dem Bild auf sich hat, zunächst dachte ich, dass es bloß die Darstellung von Harmonie zwischen Mensch und Tier sein sollte. 

 

Zeus und Ganymed

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