07. und 08.07.18 Monster und Gandalf

Am Sonnabend, 07.07.18 breche ich wieder auf, nun erneut mit vollem Gepäck. Seltsamerweise kommt es mir so vor, als wäre der Rucksack – ich nenne ihn von nun an „Monster“ – noch schwerer als beim letzten Mal, als ich ebenfalls alles inklusive Übernachtungsequipment für draußen eingepackt hatte.

Mein Ziel ist Bad Bergzabern, wo ich eine schöne Pension vorgebucht hatte. Gegen 18:00 Uhr komme ich an, und dieses Mal ist es das genaue Gegenteil zur Ankunft in Bad Schandau: Hier herrscht sofortige gegenseitige Sympathie, die Gastgeber erscheinen mir extrem nett. Ich habe vor, nach der Übernachtung auf dem Trekkingplatz 1 in einem Bogen wieder zurück nach Bad Bergzabern zu wandern. Mir gefallen Zimmer und Gastgeber so gut, dass ich vereinbaren kann, für die übernächste Nacht von Montag auf Dienstag wieder hierher zurückzukehren. Die Gastgeber sind sogar einverstanden, dass ich einige Sachen im Zimmer lasse.

Am Sonntag, 08.07.18 bekomme ich ein Frühstück, wie ich es noch nie bekommen habe:

Ich bekomme sogar die Brötchentüte, damit ich mir das, was ich unmittelbar beim Frühstück nicht mehr aufessen kann, für später einpacken kann. Ich lasse einiges im Schrank und fahre dann nach Schweigen-Rechtenbach, um von dort über die Ruine Guttenberg zum gleichnamigen Trekkingplatz, zu wandern. Ich habe für den Wasservorrat 3 Faltflaschen dabei (1,0+0,9+0,5=2,4 Liter). Mit dem Verbrauch für den Tag, zum Kochen, Waschen und mindestens Kaffee am nächsten Tag erscheint mir das zu wenig. In Schweigen-Rechtenbach gibt es zwar einen Friedhof – also eine Auftankmöglichkeit -, aber ich brauche  noch mindestens ein weiteres Gefäß. Jetzt am Sonntag habe ich natürlich nicht so die freie Auswahl offener Geschäfte, nur vor eine Shisha-Bar (!) hier mitten in der Pampa nahe der französischen Grenze sitzen ein paar Männer. Ich versuche mein Glück, und frage, ob sie mir eine PET-Flasche Wasser verkaufen würden. Kurzes Beratschlagen, dann nickt der Boss – wie ein Mafia-Pate kommt er mir vor – gnädig. Sein Hiwi steht auf und teilt mir mit, dass es Mineralwasser nur in Glasflaschen gibt. Ich will schon umdrehen, da schiebt der Hiwi noch nach, anderes, „normales“ Wasser gäbe es schon in PET-Flaschen. Aha. Dann also 0,5Liter „normales“ Wasser, das mir nun für 2 Euro verkauft wird – der Preis ist unverschämt für so eine kleine Flasche, aber der Markt macht die Preise, und ich kaufe dem Mafiaboss sein überteuertes Wasser ab. Auf dem nahegelegenen Friedhof trinke ich mich satt und fülle alles randvoll, dann geht es los. Die Strecke ist und bleibt hübsch und abwechslungsreich. Hier im Pfälzer Wald fällt mir auf, dass schon viel weniger Vögel singen, es ist geradezu still. Aber ich sehe noch andere Tiere:

Ich möchte lieber nicht so genau wissen, was für die Käfer so lecker ist
Pfauenauge auf einem Sommerflieder mitten im Wald
Eine von etlichen wärmeliebenden Eidechsen nahe der Ruine Guttenberg

Bald erreiche ich die Ruine Guttenberg

und bin bei dem folgenden kurzen Abstieg ganz froh, dass ich mir wieder einen Wanderstock zurecht geschnitzt habe. Mein sehr ambivalentess Verhältnis zu Stöcken zeigt sich immer wieder darin, dass ich die teuren Carbondinger vergesse. Dieses Mal habe ich sie zuhause in Hamburg vergessen, ich habe sie letztes Jahr im Restaurant stehen lassen, und ich habe sie auch schon in einem Zug liegen lassen. Ein netter Mitpassagier hatte das beobachtet und war mir auf dem Bahnsteig hinterher gerannt, um sie mir wiederzugeben. In wenigen Momenten bei einer Wanderung kommen mir Stöcke wirklich gelegen – dann wenn es wirklich schwierig und unwegsam wird – aber die gesamte andere Zeit sind mir die Dinger eher lästig. Ein Kompromiss kann es dann mal sein, sich aus einem gefundenen Ast einen temporären Stock (einen, nicht zwei) zu schnitzen. Mit so einem Stock fühle ich mich immer wie mit einem archaischen Zauberstab, also heißen solche Stöcke nun bei mir „Gandalf“.

Ich erreiche den Punkt, wo die Beschreibung des Zuwegs zum Trekkingplatz anfängt; vorher will ich allerdings noch einmal die inzwischen wegen der Hitze deutlich reduzierten Wasservorräte ergänzen und steuere trotz der zusätzlichen Höhenmeter eine auf der Garmin-Karte eingezeichnete Quelle an. Als ich nur noch rund 100m entfernt bin, bleibe ich stehen, um zu sehen, wie ich die Wasserstelle am besten erreiche – da höre ich es direkt hinter mir am Wegrand plätschern. Es ist tatsächlich schon die hübsch eingefasste Quelle, denn die Karte stimmt hier einfach nicht. Wieder trinke ich mich satt und wandere nun die letzten 2-3km zum Trekkingplatz, auf dem ich allein übernachten werde.

Angekommen – Karin allein auf dem Trekkingplatz
Trekkingplatz 1 Ruine Guttenberg

Es folgt der Wandereralltag mit Hängematten- und Tarpaufbau und das Kochen des – naja – mittelleckeren Abendessens in Form von Nudeln mit Tomatensoße. Allein den Topf hinterher zu säubern kostet mit Sicherheit 300 kostbare Milliliter angeschlepptes Wasser. Dann fängt es an zu dämmern und ich lege mich in mein Bett im Wald. Ich hatte lange überlegt, ob ich überhaupt das Tarp aufbaue, denn es ist nicht mit Regen zu rechnen, und als Sichtschutz brauche ich es auch nicht. Schließlich baue ich es doch auf, spanne es aber mir Hilfe von 4 Stöcken sehr hoch ab.

In der Nacht kommt dann Wind auf. Es hatte einige Zeit gedauert, bis ich eingeschlafen war, aber irgendwann ging’s. Ich erschrecke mich fürchterlich, als irgendetwas auf mich und meine Hängematte fällt, darüber schleift und auf der anderen Seite wieder herunterfällt. Es dauert ein paar Schrecksekunden, bis ich verstehe, dass der inzwischen recht starke Wind am Tarp gerüttelt und die Stöcke gelöst hatte, die, zum Glück ohne Schaden anzurichten, über mich und die Hängematte gezogen worden waren. Es hilft nichts, ich muss aufstehen und im Stirnlampenlicht das Tarp wieder, nun direkt im Boden, festtackern. Danach schleifen allerdings Tarp und Hängemattenaufhängung etwas aneinander. Trotzdem schlafe ich wieder ein, und werde erst im ersten Morgenlicht wieder wach, so dass ich dann nochmal Hand anlege und hinterher tief und fest schlafe wie ein Baby.