Im Juli brauche ich dringend eine Auszeit, die anders als im Mai über 3 Tage hinausgehen soll. Ich nehme 2 Wochen Urlaub ab 15.07.19, und da ich dieses Mal weder Zeit noch Lust habe, viel selbst zu recherchieren und zu organisieren, entscheide ich mich erstens für eine bekannte Gegend, die mir einschließlich der Unterkünfte gut gefallen hat – das Taubertal mit 2 Städtchen – und zweitens für das Altmühltal mit einer pauschalen, aber individuellen Wanderreise (also ohne Gruppe) inklusive Gepäcktransport.
Meine Mutter stirbt mit 90 Jahren am 03.06.19, rund 2 1/2 Wochen nach meinen letzten Wandertouren in Bad Driburg. Ich habe den Todesfall mit vielen, auch durchaus unterschiedlichen Emotionen erlebt: An erster Stelle Trauer und Verlustgefühle, dann Bedauern darüber, was gefehlt hat und nicht mehr nachzuholen ist, und schließlich eine verschämte, aber unleugbar vorhandene kleine Erleichterung – nie mehr muss ich mir Sorgen um sie machen; und letztlich hat sich auch ihr eigener Wunsch erfüllt, nicht mehr so wie in ihren letzten Wochen leben zu wollen. Nach der Trauerfeier und nachdem das Gröbste erledigt ist, breche ich am Sonntag, 14.07.19 bei gemischt-bedecktem Wetter und nicht allzu sommerlichen Temperaturen auf; es soll zunächst als Auftakt mit einer Halbtageswanderung vom Bahnhof Wolterdingen in einem großen Bogen nach Soltau gehen. Obwohl es dunkelgrau, kalt und windig ist, genieße ich jeden Schritt und fühle mich leichter. Zunächst geht es etwa 2 1/2 km durch Felder, leider auch an einem großen Putenzuchtbetrieb vorbei; ich höre die armen Tiere schon von weitem, und kann die Geräusche zunächst nicht zuordnen, bis ich direkt an den langen flachen Gebäuden vorbei gehe. Eine reine Fleischfabrik. Immerhin kann ich froh sein, mich nicht daran zu beteiligen und gehe schließlich auf selbst gesuchten Wegen in den Wald, wo mir sogleich sehr zielstrebig eine Bremse in den T-Shirtausschnitt fliegt. Ich beuge mich vor, halte den Ausschnitt vom Körper weg, und tatsächlich fliegt die Bremse hinaus – ok, wir lassen uns gegenseitig in Ruhe, damit kann ich gut leben. Bald darauf treffe ich auf den Heidschnuckenweg und komme kurz danach am Heidepark Soltau vorbei, der an diesem Sonntag und trotz der Ferien nicht besonders gut besucht zu sein scheint, denn der gigantische Parkplatz ist fast leer.
Danach geht es weiter durch lichten Kiefernwald, bis zu den Ahlftener Fischteichen, wo ich am Vereinsgebäude eine Rast einlege. Es ist ungemütlich kalt, und eine zweite Jacke ist nicht zuviel, so dass ich bald wieder aufbreche.
Am späten Nachmittag treffe ich in Soltau ein, gehe zum Hotel – das zwar so ok ist, aber auch nicht mehr -, lade alles ab und suche mir zum Abendessen ein Restaurant, in diesem Fall der örtliche Grieche. Alles herrlich unspektakulär, aber genau so wollte ich es auch haben.
Am Montag soll dann die längere Fahrt nach Bayern, genauer gesagt in das Altmühltal folgen. Am Morgen boote ich das Handy durch – ich weiß nicht mehr, warum – und muss leider feststellen, dass ich die falsche Ziffernfolge für die PIN im Gedächtnis hatte – und was mir noch nie passiert ist, das schaffe ich jetzt: ich töte das Handy mit dreimaliger falscher Eingabe, und merke, wie ich plötzlich in’s Schwitzen komme, denn auch die PUK habe ich nicht dabei. Das Handy ist tatsächlich unverzichtbar geworden: zum Surfen, zum Navigieren, Fotografieren, Musikhören, online-Bezahlen, Fahrkartenkauf und natürlich zum Telefonieren. Dennoch muss ich los zum Bahnhof, und das Wandernavi muss mich lotsen; auf dem Weg dorthin komme ich an einem Vodafone- Laden vorbei, aber die Zeit ist für eine Wiederbelebung des Handys zu kurz. Aber immerhin bekomme ich die beruhigende Auskunft, dass es in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Hannover einen Vodafone- Laden gibt. Tatsächlich finde ich diesen sofort, und die Aufenthaltsdauer bis zur Abfahrt des nächsten Zugs reicht, um das Handy wieder in Gang zu setzen. Ich bin sehr erleichtert und dem jungen Mann wirklich dankbar – gut, dass ich an einem Wochentag unterwegs bin…
Der Rest der Fahrt funktioniert gut, und ich freue mich, dass südlich von Fulda der Himmel immer blauer wird. Kaum in Bayern, wird das Wetter richtig schön. Nun bin ich gespannt, wie es in Eichstätt wird, denn von dort muss mich ein Taxi in das erste Hotel im Schambachtal bringen. Auch das funktioniert, und ich bin begeistert von dem, was ich vom Altmühltal und seiner spektakulären Landschaft ringsum sehen kann. Mein Hotelzimmer ist nett, ich genieße ein schönes Abendessen und den Blick in das flache Tal: Draußen ist ein ziemlich starker, leicht gewittrigen Regenguss runtergekommen, und als er vorbei ist, steigt nach dem warmen Tag überall aus den Wiesen Nebel.
Ich verbringe eine ruhige Nacht und freue mich, unbeschwert am nächsten Tag eine lange, schöne Tour vor mir zu haben. Ich merke deutlich, wie nun langsam die Erholung beginnt und vieles heilen kann.
Die Wanderung am nächsten Tag starte ich voller Vorfreude auf die landschaftliche Schönheit bei strahlendem Sonnenschein. Es geht in einer Rundtour direkt von Schambach aus zunächst nach Osten, dann nach Norden über das Arnsberger Schloss bis Kipfenberg – hier bei einem recht steilen Abstieg – und von dort wieder etwas weiter westlich zurück.
Aber am Anfang muss ich mir erst einmal wieder einen Stück schnitzen, dieses Mal mit meinem neuen Messerchen, das ich zum Geburtstag bekommen habe, einem Kiridashi:
Die Tour ist hübsch, und nicht ganz unanstrengend mit rund 18 km und 700 Höhenmetern. Es ist warm, die Landschaft tatsächlich die ganze Zeit über schön, und ich befinde mich im Sommerwanderglück.
Interessant ist der nachkonstruierte Wachturm in der Nähe von Kipfenberg auf dem Pfahlbuck, wo einst der Limes verlief. Ich gehe hinein, und will von oben die Rundumsicht genießen, aber oben innerhalb des Turms wohnt ein Wespenvolk. Zahlreiche Wespen kommen mir sogleich entgegen, und ich trete SEHR schnell den Rückweg an.
Später komme ich durch das Dörfchen Böhming, wo ich den Fluss überquere und kurz darauf steige ich hoch zur Arnsberger Leite, die oft das „Cover-girl“ für den Altmühltalpanoramaweg darstellt.
Nach dem Abstieg komme ich wieder direkt an das Flussufer in Arnsberg, und an einer Kanuanlegestelle ziehe ich Schuhe und Strümpfe aus, um die Füße zwischen lauter winzigen Fischchen in der Altmühl abzukühlen. Über mir jagen viele Schwalben an diesem warmen Tag, ich atme tief durch und genieße jeden Augenblick, hier an diesem unspektakulären Pausenplätzchen. Bald danach gehe ich weiter und verlasse das Altmühltal, um wieder in das Schambachtal einzubiegen. Dort, gegen Ende der Wanderung, gibt es mit dem Rauchenberger Steig noch eine kleine Herausforderung, denn zeitweise ist es recht unwegsam, und Seilsicherungen zeigen an, dass der Weg nicht gerade kinderwagentauglich ist. Ich bin jedenfalls recht froh, nur Tagesgepäck dabei zu haben. Dann kommt ein kurzer Abstieg, und es dauert nicht mehr lange, bis ich das Hotel von fern sehen kann, und ich muss sagen, dass ich mich auf dieses Ziel mit all seinen Annehmlichkeiten freue.
Dazu zählt auch die Besonderheit des Hotels, das Naturwasserschwimmbecken.
Noch ist es warm genug, ich werfe im Zimmer meinen Bademantel über und steige in das Wasser, das ich bald ganz allein für mich habe – bevor ich mich meinem hervorragenden Abendessen widme. Ein perfekter Tag, an den ich mich lange erinnern werde.
Am nächsten Tag (Mittwoch, 17.07.19) geht es weiter mit einer Streckenwanderung, wieder direkt vom Hotel aus. Es geht rund 15 km nach Walting, unter anderem über die Wacholderheide bei Gungolding. Ich lasse mein Hauptgepäck im Hotel – da ich wegen der geplanten späteren Wanderungen keinen Koffer habe, in einer großen, einigermaßen stabilen Plastiktüte – und mache mich auf den Weg, der zunächst derselbe wie am Vortag ist: Es geht erst einmal wieder in Richtung Arnsberg. Dort überquere ich den Fluss, und weiter geht es auf dem Altmühltal Panoramaweg. Heute ist es noch wärmer, und ich habe mit Blick auf die längeren Strecken, in denen kein Schatten zu erwarten ist, viel Wasser eingepackt. Tatsächlich ist die Gungoldinger Heide eine bemerkenswert schöne Landschaft, man darf aber nicht erwarten, dass hier wirklich Heide wächst: Der hauptsächliche Bewuchs ist Gras, anders als in der Lüneburger Heide.
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Zwischendurch gibt es auch ein Waldstück, und ich kann dort eine entspannte Siesta in der Hängematte einschieben. Ich habe die 90°-Hängematte mit, weil sie so schön leicht ist, und eine Isomatte, die für diese Hängemattenbauform für die Stabilisierung nützlich ist. Den superleichten Schlafsack zum Zudecken brauche ich nicht, es ist mittlerweile auch hier im schattigen Wald richtig heiß.
Dann kommt noch ein langes, schattenloses Stück zwischen den Dörfern Isenbrunn und Rieshofen – wirklich anstrengend bei den heißen Temperaturen – bevor es wieder in den Wald geht. Von dort sind es nur noch rund 2,5km bis Walting, wo ich in einem Gutsgasthof auf mein Taxitransfer warten soll.
Im idyllischen Biergarten des Guts Moierhof ist es ganz und gar nicht schlimm, zu warten. Der Transfer klappt reibungslos, und der Fahrer kann mir schon eine Menge während der Fahrt über die Region berichten, denn er war früher Reiseleiter. Das Hotel in Eichstätt ist nach rund 10-11 km erreicht, und tatsächlich fast luxuriös. Ich genieße auch hier ein schönes Abendessen mit wundervollem Ausblick über die Stadt und das Altmühltal und nutze auch den Wellbessbereich u.a. mit Schwimm- und Dampfbad. Auf dem Balkon lassen ich den Abend ausklingen, und auch hier habe ich eine ruhige Nacht.
Am nächsten Tag – wieder ist es sehr heiß – geht es rund um die Stadt, wieder direkt vom Hotel aus. Ich rufe eine Freundin meiner Mutter an, die in der Nähe des Altmühltals wohnt; sie hatten sich in einem Urlaub 10 Jahre zuvor kennengelernt und guten Kontakt gehalten. Wir verabreden uns für den Nachmittag auf der Willibaldsburg. Die Wanderung heute ist ok, allerdings im Vergleich zu den voran gegangenen beiden Tagen weniger anstrengend und auch weniger beeindruckend. Der Weg führt mich auch direkt in das Städtchen, ich sehe mir das Herz der Altstadt und den Dom an, und kaufe etwas ein, denn Proviant außer Wasser habe ich nicht.
Danach überquere ich den Fluss, um auf der anderen Seite Richtung Frauenbergkapelle hochzusteigen. Die Kapelle selbst ist hübsch, und ihre Lage einmalig schön. In Ruhe genießen kann ich hier aber wegen einer lärmenden Schulklasse nicht. Überhaupt ist hier der Hügelrücken inmitten der Flussschleife ziemlich gut besucht, sodass ich auch auf eine abgeschiedene Hängemattenpause verzichte. Stattdessen gehe ich weiter Richtung Burg, und besichtige dort den sehenswerten Bastionsgarten, der auch ein schönes ruhiges Plätzchen im Schatten bietet. Dann wird es bald Zeit für das Treffen mit der Freundin meiner Mutter, und wir verbringen eine interessante, kurzweilige Zeit, bis sie mich netterweise in mein Hotel zurück bringt. Dies war dann schon der letzte Tag im Altmühltal – aber ich bin sicher, dass ich wiederkommen werde.