Wandern in der Südheide

Am  24.07.17 habe ich mich – anders als geplant – mit dem Auto auf den Weg in die Südheide gemacht und bin nun in Suderburg in einer gemütlichen kleinen Ferienwohnung in einem gut erhaltenen alten Hof. Ich habe noch ziemlich lange keinen Plan gehabt für diese gute Woche Urlaub, was aber auch daran lag, dass Kai und ich uns unmittelbar am Wochenende nach meinem Geburtstag mehr als 48 Stunden lang um ein Rotkehlchenbaby gekümmert haben.

Ein Rotkehlchenpaar hatte zu unserer großen Freude direkt im Blumenkasten auf unserer Terrasse ein Nest gebaut; 5 kleine Eier lagen schließlich darin, die das Rotkehlchenweibchen nach und nach gelegt und dann knapp 2 Wochen bebrütet hatte. Ein oder 2 Küken sind um meinen Geburtstag herum geschlüpft,

aber als ich am 14.07.17 abends nach Hause kam, war von den Altvögeln nichts zu sehen, und es lag nur noch ein einziges ganz frisch geschlüpftes Küken darin – winzig, nackt, blind und nur wenig bewegungsfähig. Ich wartete noch eine ganze Weile, aber die Altvögel sind beide zu ihrem letzten Küken nicht zurückgekehrt. Die kleinen Vögel haben wohl das traumatische Ereignis, das dort stattgefunden und den anderen vier Küken das Leben gekostet haben muss, nicht verkraftet. Schließlich wurde es recht kalt, so dass ich das Kleine wegen der drohenden Unterkühlung mit hinein nahm und hoffte, dass warme Hände wenigstens schon mal ein bisschen helfen.

Zart und hilflos

Trotz Handaufzuchtfutter, bene bac, Korvimin und dergleichen haben wir es nicht geschafft, das einzige übrig gebliebene Küken aufzupäppeln; es ist am 16.07.17 abends gestorben. Ich kann mir vorstellen, dass wir eine wesentlich bessere Chance gehabt hätten, wenn das winzige Küken nur ein bisschen älter gewesen wäre – dann hätten die vielen, hilfreichen Informationen von Wildvogelhilfe.org vielleicht doch noch dieses kleine Leben gerettet.

So aber war ich nicht nur traurig, sondern auch immer noch ziemlich planlos, bis ich mich entschlossen hatte, den Natursteig Sieg zu wandern; das Besondere bei diesem Weg ist, dass man ihn gut auch von einem Standquartier aus in Etappen gehen kann, weil es parallel zum Weg 18 S-Bahn-Stationen gibt. Die Ferienwohnung, die ich mir ausgesucht hatte, war im letzten Moment aber dann doch nicht mehr frei, weil die aktuellen Gäste ihren Aufenthalt verlängert haben. Einfach nur zuhause bleiben wollte ich auch nicht, und da es schwierig wird, im Zenit der Hochsaison immer nur für eine Nacht ein Hotel zu buchen, habe ich mich umentschieden und bin nun in der südlichen Heide, etwas südwestlich von Uelzen. Hier gibt es jedenfalls auch eine ganz Menge mögliche Wanderungen, und mit dem Auto bin ich natürlich auch wesentlich flexibler.  Und das W-Lan hier in der Ferienwohnung erleichtert mir natürlich auch genau diesen Bericht…also bin ich doch wieder versöhnt.

Am 24.07.17 nach meiner Ankunft und am 25.07.17 ist das Wetter allerdings nicht unbedingt so, wie man es sich vom Hochsommer wünscht und eigentlich auch erwarten darf. Alles ist durchweicht vom vielen Regen, es ist kalt und grau, oder auch mal wärmer und grau, aber jedenfalls immer sehr nass. Das freut vor allem viele Insekten, besonders Mücken und Bremsen treten in wahren Massen auf.

Aber auch solche Tage kann ich genießen und z.B. fotografieren, mit der Testversion einer Bildbearbeitungssoftware herumexperimentieren, lesen natürlich und auch das Museumsdorf Hösseringen im Nachbarort besuchen.

Mittwoch, 26.07.17, ist das Wetter so weit beruhigt, dass ich eine erste kleinere Wanderung machen kann; ab mittags ist es nur noch bedeckt, und ich entscheide mich für eine kleinere Runde mit 8,4 km um Hösseringen. Mein linkes Knie, das noch immer gelegentlich Probleme macht, spielt heute aber gut mit.  Ich atme tief durch und genieße Aussichtsturm, plötzlich auch den einen oder anderen Sonnenstrahl, die vielen naturkundlichen Informationen zu den Bäumen und – parallel auf demselben Weg – die Kunst im Wald:

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Bei dieser Runde ist auch noch eine Einkehrung drin, und zwar genau dort, wo ich gestern schon war: Nebenan beim Museumsdorf. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber bei diesem seltsamen Sommer doch wieder nicht, dass ich ohne Frieren und Nasswerden draußen sitzen kann. Bei solchen Gelegenheiten weiß ich das sehr zu schätzen. Danach ist der Weg nicht mehr weit, und ich erreiche bald mein Auto, kaufe noch etwas ein und fühle mich herrlich entspannt.

Donnerstag, 27.07.17 breche ich zur nächsten Tour auf, eine weitere Wetterverbesserung klingt verheißungsvoll. Im Nachhinein kann ich sagen, dass dies eine der schönsten Wanderungen in Norddeutschland ist, die ich bisher gegangen bin: Abwechslungsreich, ganz asphaltfrei (bis auf eine kleine Ortsduchquerung), schön und herrlich einsam.  Ich starte von einem Wanderparkplatz kurz vor Lutterloh, einem Dörfchen in ca. 25 km Entfernung; bereits der Zubringer zur eigentlichen Runde sieht vielversprechend aus und führte auf weichem, nadelbedeckten Pfad erst einmal durch schönen Mischwald direkt auf die erste von mehreren Heideflächen (hier ist es die Heidefläche am Schillohsberg). Dort stoße ich auf den Heidschnuckenweg, der hier in der Gegend eine Schlaufe beschreibt, die man an zu einer Rundwanderung schließen kann. Dem Heidschnuckenweg merkt man den Qualitätsweg tatsächlich an, und ich bin froh, dass auch das frei dazu kombinierte Verbindungsstück nicht ganz verkehrt ist.

Nach der Heidefläche folgt – wie später auch über etliche Kilometer – lichter Kiefernwald. Die Bäume haben zu ihren Füßen Quadratkilometer über Quadratkilometer Blaubeerbüsche, deren Früchte auch gerade reif sind. Bald geht es längere Zeit weiter auf einer sonnigen Schneise, der Boden ist über weite Strecken sandig. Die guten Lichtverhältnisse nutzen blühende Sträucher, die sich als unglaublicher Anziehungspunkt für Hunderte von Insekten – darunter sehr viele Schmetterlinge – erweisen.

Nach einer Strecke durch Kiefernwald erreiche ich die nächste Heidefläche (ausgedehnt: Oberoher Heide), die zumindest dort, wo ich den Wald verlasse, gerade renaturiert wird.

Oberoher Heide

Von weitem höre ich eine Schaf- oder wahrscheinlicher: eine Heidschnuckenherde, sehe sie aber nicht. Nur die Spuren sind eindeutig. Ich bewundere die schwarz-dunkellila schillernden Mistkäfer, die sich sogleich darüber hermachen.

Ein Käfer hat sich etwas viel vorgenommen und fällt gerade auf den Rücken, als er ein Stück Dung transportieren will,  das schätzungsweise 3 Mal so groß ist wie er selbst. Ich teile das Stück mit einem Ästchen, damit er es einfacher hat – aber er lässt es sofort liegen und geht weg. OK – dann eben nicht…

Die Heide wird unterbrochen von Birkenwäldchen, einzelnen Wacholdersträuchern und wenigen Eichen. Danach geht’s wieder in den Kiefernwald, und ich suche mir abseits des Weges – was eine Weile dauert – ein nettes Plätzchen für eine späte Siesta in der Hängematte. Wunderbar. Um 17:00h packe ich wieder alles zusammen, und nun kommt das Verbindungsstück wieder zum Heidschnuckenweg, ein etwas länglicher schnurgerader Hatsch durch den Wald.

Rainfarn

Für Abwechslung sorgen dabei allerdings diese Spuren, die ich nicht eindeutig zuordnen kann:

Links Homo sapiens, rechts…?

Ein Tier mit Pfoten (also schon mal kein Paarhufer wie Reh oder Rotwild, natürlich auch kein Wildschwein), aber auch keine Katze. Beruhigenderweise auch kein Wolf, obwohl die Südheide ja durchaus eine nennenswerte Population hat. Fuchs? Dachs? Marder?

Ich weiß es nicht und sehe leider auch den Urheber nicht. Wieder auf dem Heidschnuckenweg folgt bald die nächste Heidefläche (Name unbekannt) kurz vor Lutterloh, dann streife ich kurz den Ort (=200 verschmerzbare Meter Asphalt). Der Weg führt dann – hier bin ich dem Track und nicht der Markierung gefolgt – zwischen Waldrand und Kornfeld wieder zur Heidefläche am Schillohsberg, nun von Süden.

Bald danach treffe ich auf die Stelle, wo sich der Kreis schließt, und ich gehe seufzend die letzten paar Hundert Meter bis zu meinem brav wartenden Auto. Schade, eine wunderschöne Wanderung ist vorbei.

Freitag, 28.07.17 fahre ich nochmals in dieselbe Gegend, weil es mir so gut gefallen hat. Dieses Mal will ich eine andere Schlaufe des Heidschnuckenwegs als Rundwanderung in Form einer Acht versuchen, etwas weiter nordwestlich. Gleich beim Wanderparkplatz wird schon klar, dass ich heute nicht einsam herumstromern kann: Mindestens 20 weitere Autos parken dort bereits. Die beiden ineinander übergehenden Heideflächen „Misselhorner Heide“ und „Tiefental“ sind ein Besuchermagnet. Und tatsächlich habe ich etliche Kilometer Bilderbuchheide um mich herum, bestanden mit alten Kiefern, Wacholder und manchmal Birken.

 

Diese Fläche steht der wesentlich bekannteren Heide um Undeloh / Wilsede landschaftlich in nichts nach – aber ganz unbekannt ist sie auch nicht: So herrlich allein wie gestern bin ich jedenfalls nicht.

Zunächst sieht das Wetter sogar noch etwas besser aus als gestern, aber es herrscht ordentlich Wind, und wie so oft, kündigt er auch dieses Mal einen kleinen Wetterumschwung an. Zur besten Siestazeit schlage ich mich auf einem unmarkierten Grasweg in den auch hier vorherrschenden Kiefernwald und suche mir ein Plätzchen für die Hängematte. Ich habe alles aufgehängt – möglichst mit Sichtschutz zum Weg (auf dem aber niemand unterwegs zu sein scheint) – und will gerade meinen mitgebrachten Wandersnack in der Matte sitzend und schaukelnd verputzen, als ich aufspringe und mir hektisch die großen, sehr vielen, an mir heraufkletternden Waldameisen von den nackten Armen und von den Hosenbeinen herunterfege. Wo die auf einmal herkommen, weiß ich nicht, eine viel patrouillierte Ameisenstraße oder gar einen Ameisenhaufen kann ich nicht erkennen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich das mitgebrachte hartgekochte Ei zum Pellen am Baumstamm weich geklopft habe (was nicht ganz einfach war, es handelt sich um eine ordentliche Eierschale von glücklichen Hühnern der Ferienwohnungsvermieter). Ich packe schnell alles zusammen, während die Ameisenbisse an den Armen schön rot und dick werden. Ein paar Meter weiter baue ich alles wieder auf – dann eben ohne Sichtschutz – und döse hier im rauschenden Kieferwald tatsächlich ein.

Wieder eine Siesta in der „Koma“

Nach einer knappen Stunde rauschen die Kiefern im stärker werdenden Wind lauter, und ich kann eine ordentliche Wolkenfront anrücken sehen. Ich packe alles zusammen, gehe durch den Wald wieder zur großen Heidefläche; der Parkplatz ist nicht weit; eigentlich hatte ich vor, eine Acht zu laufen mit dem Parkplatz in der Mitte, aber die obere Hälfte der Acht lasse ich im beginnenden Sprühregen dann doch sein. Schade, ich wäre gern noch weiter gewandert – das Knie macht immer noch brav mit! – aber im recht dunkelgrauen Licht mit Regen hätte ich die Tour wohl nicht so genießen können, wie es sich gehört. Sagt man nicht auch bei Parties, dass man gehen soll, wenn’s am schönsten ist? Immerhin kann ich mich ja noch auf die morgige „Wanderparty“ freuen, vielleicht sogar noch auf eine kleine Tour am Sonntag, bevor ich zurückfahren muss.

Am Samstag, 29.07.17 lade ich mir noch einen neuen Track herunter, denn die vorbereiteten Tracks hier in der Nähe haben beim näheren Hinsehen öfter den Nachteil, dass sie auf kleinen Straßen oder asphaltierten Feldwegen verlaufen. Ich gebe zu, ich bin verwöhnt von den Qualitätswegen und suche mir noch etwas anderes, nämlich eine Rundwanderung von einem Dörfchen namens Eimke aus, die über die Ellerndorfer Wacholderheide führt. Die 14,5 km sind – sollte es noch dunkelgrauer und stürmischer werden als ohnehin schon oder sogar regnen – abkürzbar. Das Heidegebiet allerdings möchte ich ungekürzt genießen, und das tue ich auch. Der Hinweg ist zwar tatsächlich nicht gerade schönheitspreisverdächtig, denn es geht lange über aufgeweichte Wirtschaftswege durch struppigen Wald oder entlang von Äckern. Aber die Heide ist tatsächlich so schön, dass ich die Landschaftsbilder förmlich aufsauge; hier mache ich auch 2 Mal Rast, um die Zeit etwas zu verlängern. Der Rück weg ist wie der Hinweg ok, aber nicht umwerfend. Vielleicht spielen aber auch das unsonnige, windige Wetter, und die zahllosen Insektenplagegeister eine Rolle. Oder auch die Aussicht, dass sich der Aufenthalt hier und der Urlaub ihrem Ende zuneigen. Das hatte ich ja schon im Pfälzer Wald gemerkt, dass die letzte Tour schon stimmungsmäßig überschattet war.

Mein Fazit: Dass ich nicht auf dem Natursteig Sieg unterwegs war, habe ich längst verschmerzt, außerdem wartet der Weg ja auch weiterhin auf mich; die Tage hier hatten sogar im Vergleich einige deutliche Vorteile: Die schöne Ferienwohnung, das Auto, die Selbstversorgung, die Freiheiten. Das Wetter hätte gern noch etwas freundlicher sein dürfen, so dass sich diese Zeit des Hochsommers nicht anfühlt wie ein zu warmer, feuchter Herbst. Würde ich noch einmal kommen, und mich auf weitere Wanderungen oder auch andere Unternehmungen freuen? Eindeutig ja!