Am Dienstag, 22.05.18 sind die Schmerzen in der linken Ferse nicht besser geworden, und ich beschließe, den Füßen heute nicht zu viel zuzumuten. Also fahre ich mit dem Bus – der direkt vor dem Hotel hält – nach Bingen und will ganz Touristin sein, d.h. Rheinschiffchen fahren, Rüdesheim ansehen, Lift fahren.
Und genau das tue ich auch; was natürlich auch unbedingt sein muss, ist mindestens eine Einkehr irgendwo, wo es Wein aus der unmittelbaren Nähe gibt. Auch das setze ich um, gleich in Assmannshausen auf der anderen Rheinseite, wo das Schiffchen angelegt hat.

Mein großer Rucksack fällt natürlich auf, und wieder werde ich angesprochen, aber dieses Mal nicht mit den klassischen Fragen „Sind Sie (etwa) allein unterwegs?“ und „Haben Sie keine Angst?“, sondern mit „Was haben Sie denn für einen großen Rucksack – ist der voller Kleider??“. Oh, ja, sicher doch – ganz zu schweigen von den 3 Paar Ausgehpumps, den Dessous und dem großen Beautycase…Die Herren sagen es dann selbst: es sind alte Klischees. Genau.
Mein Ringticket nutze ich, um mit dem Sessellift zum Jagdschloss Niederwald hochzufahren, und neben mir beansprucht der Rucksack einen eigenen Sitzplatz.

Gelegentlich muss ich ein bisschen mit Höhenangst kämpfen, gewinne aber eindeutig. Oben angekommen geht es dann rund um das Jagdschloss Niederwald, und dann etwa 3km bis zum Niederwalddenkmal; die Strecke ist natürlich auf große Touristenströme zugeschnitten, aber heute, an einem normalen Dienstag, ist es nicht überlaufen. Inzwischen komme ich nicht mehr gut vorwärts, denn der fiese, kleine, bohrende Schmerz zwischen Knöchel und Achillessehne lässt mich humpeln. Trotzdem muss ich mir zumindest einige der ausgeschilderten Sehenswürdigkeiten am Weg ansehen, die alle mit dem Grafen von Ostein als Besitzer des Niederwalds zu tun haben, der im 18. Jahrhundert den Niederwald zu einem Landschaftspark umgestaltet hatte.
Dann erreiche ich das Niederwalddenkmal, Urbild deutscher Vergangenheit

…und, da sich schon wieder wie 2 Tage vorher ein Gewitter ankündigt,

fahre ich bald mit dem Kabinenlift wieder runter, dann nach Rüdesheim. Dabei kann man ganz gut erkennen, dass der Rhein ab hier stromaufwärts Richtung Wiesbaden von sanfteren Hängen umgeben ist, die steileren Hügel im Mittelrheintal laufen hier allmählich aus.

In Rüdesheim angekommen trifft mich mit voller Wucht das, was sich ausländische Touristen so unter „typisch deutsch“ vorstellen: Es gibt Lederhosen, Bempel in allen Größen, Kuckucksuhren und sinnbefreite Sprüche auf Holztäfelchen:

Fast wundert es mich, dass nicht mindestens jedes 2. Restaurant groß mit Knödeln mit Sauerkraut wirbt. Ich kehre nochmals ein und lasse das Treiben der Touristen verschiedenster Nationen in der Drosselgasse an mir vorbeiziehen, bis ich mich zum Schiffsanleger aufmache und nicht mit einem der Touristenschiffchen, sondern einer Personenfähre zurück nach Bingen fahre.


Dort kaufe ich im Ort noch etwas ein, denn meine Unterkunft – ein von einem Kloster betriebenes Hotel ganz am Rand von Bingen – bietet kein Abendessen an, und es gibt auch nichts in der Nähe.
Ich muss also noch 2km stramm bergauf gehen, und muss dabei feststellen, dass ich nur unter Schmerzen im Invalidentempo hochhumpeln kann. Ich beschließe, am nächsten Tag einen kompletten Ruhetag einzulegen – und nicht wie geplant, hier eine der sich wunderbar anbietenden Touren, z.B. auf dem Rheinburgenweg zu wandern. Wenn sich danach keine deutliche Besserung einstellt, muss ich mir einen Plan B überlegen.